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Neuregelung der Straßenbaulast zwischen Reichs- und Gemeindestraßen ab 1934

Ein zufälliger Fund bei Bielefeld-Brackwede gibt Anlass zu der folgenden Betrachtung. Es handelt sich um einen jener heute längst vergessenen und zumeist verschollenen Markierungssteine, mit denen ab 1935 die Zuständigkeitsbereiche für die Straßenbaulast zwischen Reich und Kommunen abgegrenzt wurden. [1]

 

Bild 1: Königl. Preuss. Landes-Aufnahme1895. Herausgegeben 1897

 

Bild 2: Ausschnitt aus der TOP 50

 

 

Bilder 3 + 4: Markierung stadtauswärts (links) und stadteinwärts (rechts)

 

Das Gesetz über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung, das am 1. April 1934 in Kraft trat, veränderte die bis dahin in Preußen bzw. den übrigen deutschen Ländern gewohnten Regeln für Straßenbau und Straßenunterhalt grundlegend. Zum ersten Mal in der langen Geschichte des deutschen Straßenwesens übernahm damit ein Organ des Reiches die Aufsicht über alle Landstraßen von überregionaler Bedeutung. Bei dieser Gelegenheit ging auch die Zuständigkeit für die preußische Wegebaupolizei auf das Reich über (§ 9 des Gesetzes). Das Neuregelungs-Gesetz beendete somit die bis dahin gültige, historisch gewachsene, an Eigentum und Kostenträgerschaft orientierte Verfügungsgewalt der Länder, Gebietskörperschaften und Kommunen über die Straßen in ihrem Einflussbereich. Als Maßstab für die Einteilung der Landstraßen dienten aktuelle Verkehrszählungen und die daraus abgeleiteten zukünftigen Verkehrsentwicklungen. [2]

Der folgende Überblick fasst die wesentlichen Inhalte der Neuregelungen des Straßenwesens und der Straßenverwaltung ab 1. April 1934 zusammen:

Straßenkategorie

Straßenbaulast (Kostenträger)

Eigentum der Straßen

Verwaltung + Unterhaltung

Straßen-aufsicht

Kraftfahrbahnen

Reich

Reich

Gesellschaft „Reichsautobahnen“

GI

Reichsstraßen

Reich

Länder bzw. preuß. Provinzen

Länder bzw. preuß. Provinzen i. A. GI

GI

Landstraßen I. Ordnung

Länder bzw. preuß. Provinzen, in der Provinz Hessen-Naasau den zuständigen kommunalen Bezirksverbänden Wiesbaden bzw. Kassel

Länder bzw. preuß. Provinzen,

in der Provinz Hessen-Nassau die zuständigen kommunalen Bezirksverbände Wiesbaden bzw. Kassel

Länder bzw. preuß. Provinzen,

in der Provinz Hessen-Nassau die zuständigen kommunalen BezirksverbändeWiesbaden bzw. Kassel

oberste Straßenbaube-hörden im Auftrag des GI

Landstraßen II. Ordnung

Kreiskommunal-verbände (Preußen) bzw. Gebietskörper-schaften (andere Länder)

Kreiskommunal-verbände (Preußen) bzw. Gebietskörper-schaften (andere Länder)

Kreiskommunal-verbände (in Preußen z. T. auch Provinzen) bzw. Gebietskörper-schaften (andere Länder)

oberste Straßenbaube-hörden im Auftrag des GI

Zusammenstellung der Tabelle: R. Ruppmann 

Die mit dem Gesetz mögliche hierarchische Neuordnung der deutschen Straßen baute auf den Vorarbeiten des Deutschen Straßenbauverbandes (DStrBV, gegründet 1921) und der Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau (STUFA, gegründet 1924) auf. Sie befassten sich seit etwa Mitte der 1920er-Jahre mit der hierarchischen Zuordnung der Straßen zu Baulastträgern und den Grundlagen überregionaler Straßenverbindungen für den Automobilverkehr. Beide Institutionen befürworteten jedoch die Anpassung des vorhandenen Landstraßennetzes an das neue Verkehrsmittel Automobil mit Hilfe des Umbaus und der Verbreiterung sowie den Bau von Umgehungsstraßen, nicht aber die Errichtung eines zusätzlichen Netzes gesonderter Straßen allein für den Kraftfahrzeugverkehr. Die in der Literatur häufig anzutreffende Auffassung, Ausgangspunkt für den deutschen Autobahnbau sei das von der STUFA erarbeitete vorläufige Fernstraßennetz von 22.500 km gewesen, ist falsch. Vielmehr bildete der STUFA-Vorschlag die Grundlage für die vom Reichsverkehrsministerium im Oktober 1930 vorgelegte „Karte der Fernverkehrsstraßen Deutschlands“ sowie die „Richtlinien für den Ausbau der Fernverkehrsstraßen“. Die Fernverkehrsstraßen erhielten die durchlaufenden Nummern 1 bis 138. Das war der Ursprung der ehemaligen Reichs- und heutigen Bundesstraßen. [3]

Das Neuregelungs-Gesetz verlieh dem am 30. Juni 1933 von Hitler zum ‚Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen’ ernannten Leiter der neuen Reichsbehörde für das Straßenwesen (GI, Fritz Todt) eine besondere Gestaltungsmacht. [4] Er war für die Autobahnen und Reichsstraßen unmittelbar zuständig und verantwortlich; bei allen übrigen Straßen übte er die Fachaufsicht über die Träger der Straßenbaulast aus. Für Bau und Unterhalt der Reichsstraßen bediente sich der GI der bestehenden obersten Straßenbaubehörden in den preußischen Provinzen bzw. der übrigen deutschen Länder. Die Straßenstrecken, aus denen sich die Reichsstraßen zusammensetzten, gingen aber nicht auf das Reich über, sondern verblieben bei den bisherigen Eigentümern.

Auf der anderen Seite übernahm der GI als Verantwortlicher für die Straßenbaulast bei den Reichsstraßen ab Inkrafttreten des Gesetzes wie ein Eigentümer alle Rechte und Pflichten. Die Länder, Kreise und ggf. Kommunen waren ab diesem Zeitpunkt von allen Bauaufgaben bei den zu Reichsstraßen erklärten Straßenstrecken entbunden, weil die bisherigen landesrechtlichen Bestimmungen außer Kraft gesetzt wurden (§ 12 des Gesetzes).  Hingegen oblag die Baulast, Verwaltung und Unterhaltung der Landstraßen I. und II. Ordnung weiterhin den Ländern und preußischen Provinzen; trotzdem konnte der GI Kraft seines Amtes auch hier jederzeit in alle Belange des Straßenwesens eingreifen, um überregionale Straßenverbindungen nach einheitlichen technischen Gestaltungskriterien aufzubauen. [5] Im Prinzip entsprach dies der alten Forderung der HAFRABA-Vordenker, die immer betont hatten, dass die Flächenwirkung des Kraftverkehrs nur dann nachhaltig gefördert würde, wenn den Autobahnen im Sinne miteinander kommunizierender Strecken kraftfahrzeuggerechte Landstraßen zur Seite stünden, damit im Langstrecken- wie auch im Verteilungsverkehr wirtschaftliche Transportverbindungen sichergestellt seien.

Die im Neuregelungs-Gesetz genannten Straßengruppen lagen aber nicht von vornherein fest, sie mussten erst einmal definiert werden. Dazu hatten die obersten Straßenbaubehörden der preußischen Provinzen und der außerpreußischen Länder pro Straßenkategorie ein Verzeichnis anzulegen. Reichsstraßen durften nur auf Anordnung des GI und nur als zusammenhängende Straßenzüge eingetragen oder gelöscht werden; er stimmte sich hierzu mit dem Reichsminister des Innern ab. Eintragung oder Löschung der Landstraßen I. Ordnung bestimmte der GI nach Anhörung der obersten Straßenbaubehörden der Länder bzw. der preußischen Provinzen alleine. Alle getroffenen Entscheidungen über die Einteilung des Straßennetzes waren endgültig, konnten also nicht auf dem Rechtswege angefochten werden. Das Führen des Straßenverzeichnisses für die Landstraßen II. Ordnung oblag den Ländern bzw. den preußischen Provinzen, die darauf zu achten hatten, dass nur geeignete Landstraßen aufgenommen wurden; notdürftig befestigte Feld- und Wirtschaftswege oder in der Anlage zu schmale Straßen kamen dafür nicht in Frage.

Mitte Oktober 1934 erließ der GI genauere Regeln für die Neueinteilung des Straßennetzes. [6] Für die Vorschläge zur Umwidmung bestehender Straßenzüge in Reichsstraßen-Abschnitte waren von da ab die leitenden Straßenbaubeamten der wegeunterhaltspflichtigen Länder und preußischen Provinzen zuständig. Ihnen oblag es, nur solche Landstraßen für das künftige Reichsstraßensystem vorzuschlagen, die den Anforderungen für einen Ausbau genügten. Nach den Vorschriften mussten sie durchgehend mindestens 6 Meter breit und kunststraßenmäßig mit einem robusten Oberbau versehen sein. Sollten Verbindungsstrecken fehlen oder Teilstrecken dieser Mindestforderung nicht entsprechen, so war es Aufgabe der Wegeunterhaltspflichtigen, den gewünschten Zustand herzustellen, bevor ein solcher Straßenzug in das Reichsstraßenverzeichnis aufgenommen werden konnte. Gab es zwischen zwei Ortschaften alternative Verbindungsstraßen, war unabhängig vom gegebenen Ausbauzustand die nach Linienführung und Ausbaufähigkeit günstigste Strecke vorzuschlagen.

Zu den Vorbereitungsarbeiten gehörte auch, die Ortsdurchfahrten durch Gemeinden mit mehr als 6.000 Einwohnern aus dem Streckenverlauf auszusondern und die von Dritten zu unterhaltenden Teilstrecken (z. B. Brücken, die in der Baulast der Länder bzw. Provinzen verblieben, oder Bahnübergänge, für welche die Reichsbahn zuständig war) zu bestimmen. Vieles blieb dennoch im Unklaren, weil der GI ungeachtet der Tatsache, dass praktisch die gesamte Verwaltung aller Straßenkategorien des Reiches bei ihm zusammenlief, die Kodifizierung eines einheitlichen Wegerechts für das Reich unterließ, und weder für die Straßenbaufinanzierung der Landstraßen I. und II. Ordnung, noch für den Umfang der Baulast und für die Verwaltungsorganisation der Landstraßen II. Ordnung eindeutige, dauerhafte Regelungen schuf.

Gesetz und Durchführungsverordnung zur einstweiligen Neuregelung des Straßenwesens und Straßenverwaltung wurden 1935 durch weitere Verordnungen ergänzt, welche den Übergang der Straßenbaulast zwischen den bisherigen und den neuen Trägern regelte. [7] Nach § 1 dieser Verordnung erhielten die Träger der Straßenbaulast für die Landstraßen II. Ordnung sowie die Gemeinden mit weniger als 6.000 Einwohnern einen Anteil der auf die Länder entfallenden Kraftfahrzeugsteuer bis maximal 20%, soweit sie die für den Durchgangsverkehr wichtigen Straßen innerhalb der Ortsdurchfahrt selbst unterhielten. In kleineren Gemeinden, die keinen Apparat für das Straßenwesen vorhalten konnten, war der Träger der Straßenbaulast für die Außenstrecken – in den preußischen Provinzen gewöhnlich die Landkreise, in den anderen Ländern entsprechende Gebietskörperschaften – für die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrt bis zu 6 m Breite zuständig.  

Der größere Teil der Kfz-Steuer floss den Trägern der Straßenbaulast für die Landstraßen I. Ordnung sowie den Gemeinden mit mehr als 6.000 Einwohnern zu. Letztere waren dazu verpflichtet, die Ortsdurchfahrten im Zuge der Reichs- bzw. Landstraßen I. Ordnung in Eigenregie zu unterhalten, obgleich es gerade in den Industriegebieten viele größere Kommunen gab, deren Leistungsfähigkeit für diese Anforderungen dauerhaft zu schwach blieb. Zusätzlich erhielten diese Baulastträger für jeden Landstraßen-Kilometer, der in ihrer Betreuung stand und bisher nicht Staats- oder Provinzialstraße gewesen war, einen weiteren Unterstützungsbetrag. Er wurde für das Rechnungsjahr 1935 mit 700 RM je Kilometer festgesetzt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung vom 12.2.1935).

Für die exakte Abgrenzung der Ortsdurchfahrten trugen die obersten Straßenbaubehörden der preußischen Provinzen bzw. der Länder die Verantwortung. Eine großzügige Bemessung der ‚geschlossenen Ortslage’ (§ 13 DVO vom 7.12.1934) zu Gunsten von Städten und Gemeinden und damit zu Lasten des Reichetats war ausdrücklich untersagt. Um städtebaulichen Entwicklung Rechnung zu tragen, konnten alle fünf Jahre die Grenzen neu festgestellt werden. In Zweifelsfällen hatte bei den Reichsstraßen der GI, bei den Landstraßen I. und II. Ordnung der Regierungspräsident einer preußischen Provinz bzw. die oberste Landesbehörde das letzte Wort. [8]

Nach zwei Runderlassen des GI von 1935 mussten Beginn und Ende der Ortsdurchfahrten durch genau vorgeschriebene Grenzsteine aus Naturstein oder Beton markiert werden. Sie waren so auf der rechten Straßenseite aufzustellen, dass die Schmalseite mit einer mittig angebrachten, 22 cm langen Keilnut auf die Fahrbahn wies. Auf der einen Breitseite in Richtung Ortschaft stand das Kürzel „GEM“ für Gemeinde, auf der anderen Breitseite war „REICH“ zu lesen. [9]

Bei der Umsetzung der neuen Vorschrift in die Praxis tauchten verschiedene Fragen auf, die zu ergänzenden Runderlassen führten. Zunächst wies Runderlass Nr. 98/35 noch einmal darauf hin, dass für die Grenzsteine ausschließlich „Naturstein“ zu verwenden sei. Ferner wurde angeordnet, dass hinter der Abkürzung „GEM“ ein Punkt zu setzen ist, „um deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß GEM. die Abkürzung von Gemeinde bedeuten soll“. Offenbar hatten behördliche Sprach-Puristen dies angemahnt. [10]

 

Der Runderlass Nr. 5/36 ging auf die Auslegungsfragen ein, die verschiedene Verwaltungen bei der Durchführung geäußert hatten. Er stellte klar, dass die neuen Grenzsteine die Straßenunterhaltungsgrenzen zwischen Gemeinden mit mehr als 6.000 Einwohnern und Reichsstraßen bestimmen sollten, aber auch für die Markierung zwischen solchen Gemeinden und direkt angrenzenden Gemeinden mit weniger als 6.000 Einwohnern gedacht waren, um den Zuständigkeitsbereich des Reiches für Straßenbau und Straßenunterhalt eindeutig zu kennzeichnen. Grenzsteine der genannten Art konnten jedoch auch gesetzt werden, um die Unterhaltungsgrenzen von Gemeinden mit mehr als 6.000 Einwohnern und Dritten (z. B. die Reichsbahn, Wasserbaufiskus o. ä.) festzulegen; in solchen Fällen erschien nur die Abkürzung „GEM.“ auf der einen Seite des Grenzsteins, während die andere Seite unbehauen blieb.

 

Beim Setzen von Grenzsteinen zwischen Ortsdurchfahrten von Gemeinden mit mehr als 6.000 Einwohnern und Landstraßen I. bzw. II. Ordnung konnte an der ortsabgewandten Seite anstatt „Reich“ die Bezeichnung „Land“ bzw. „Provinz“ verwendet, oder der Stein unbehauen belassen werden.

 

Die Straßenverwaltungen in der Bundesrepublik Deutschland ersetzten diese Kennzeichnungssteine alsbald durch so genannte „OD-Steine“. Das Kürzel „OD“ steht für Ortsdurchfahrt (siehe § 8 Straßengesetz). Ein OD-Stein wird zumeist aus Beton oder Kunststoff hergestellt; er ist weiß oder gelb gefärbt und in der Regel ca. 50 cm hoch. Es gibt quaderförmige OD-Steine mit einem halbrunden Bogen auf der Oberseite, aber auch Dreieckprismen. Teilweise übernimmt ein Schild mit der Aufschrift „OD“ auf weißem oder gelbem Hintergrund diese Aufgabe. Zuweilen ist darauf die Nummer der Straße oder die Kilometrierung angegeben. Am bekanntesten sind heutzutage die prismenförmigen „Stationszeichen“ aus weißem Kunststoff, welche die Funktion der Kilometersteine übernahmen. Sie dienen der Kilometrierung von Straßen bzw. Straßenabschnitten.

 

Mit der Einführung von OD-Steine gerieten die Markierungssteine rasch in Vergessenheit und wurden beseitigt. Da es sich bei dem in Brackwede gefundenen Stein also um eine Rarität handelt, wäre es zu begrüßen, wenn ihn die Denkmalpflege des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe ­ analog zu vielen alten preußischen Meilensteinen ­ unter Denkmalschutz stellen würde.

 

Die OD-Steine oder entsprechende Stationszeichen kennzeichnen die Zuständigkeit für die Straßenbaulast, haben somit straßenrechtliche Bedeutung. Hingegen haben die Ortstafeln eine verkehrsrechtliche Aufgabe, weil sie die Straßen einer geschlossenen Ortschaft von den übrigen Straßen abgrenzen. Sie zeigen am Ortseingang den Ortsnamen und zusätzlich den Namen des Kreises (Zeichen 310). Auf der dem Ortsende zugewandten Seite stand ursprünglich nur der Name des nächsten Orts und die Entfernung bis dorthin in Kilometern. Mit der Einführung der innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzung wurde die Tafel auf der Ortsausgangsseite zweigeteilt: oben blieb die Angabe des nächsten Ortes und die km-Angabe erhalten, unten wurde der Ortsname mit einem roten Schrägstrich durchgestrichen, um das Ende der 50-km-Zone anzuzeigen (Zeichen 311).

 

Anmerkungen

[1] Bilder und Bilderbeschriftungen von Dipl.-Ing. Christian Hoebel, LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, Münster, Fachreferat Technische Kulturdenkmäler.

[2] Gesetz über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung vom 26. März 1934, RGBl. 1934 I, S. 243; Durchführungsverordnung vom 7. Dezember 1934, RGBl. 1934 I, S. 1237. Das Gesetz definierte vier Straßenkategorien: Kraftfahrbahnen (Autobahnen), Reichsstraßen, Landstraßen I. Ordnung und Landstraßen II. Ordnung. Siehe dazu auch Günther Schulze, Die Neuregelung des Landstraßenwesens, in: Die Strasse 1 (1934), S. 12-14; Sylvia Pradel, Entstehung und Entwicklung des Bundesfernstraßenrechts, Hamburg 2003, S. 41 ff.

[3] Ausführlich beschrieben bei Reiner Ruppmann, Schrittmacher des Autobahnzeitalters – Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet, Darmstadt 2011, S. 79-103.

[4] Erlaß über den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen vom 3. November 1933, RGBl. 1933 I, S. 1057.

[5] Siehe §§ 3 bis 6 der Durchführungsverordnung vom 7. Dezember 1934.

[6] Runderlaß Nr. 145 vom 16. Oktober 1934, in: Die Strasse 1 (1934), Heft 6, S. 192.

[7] Verordnung zur Regelung der finanziellen Auseinandersetzung zwischen den alten und neuen Trägern der Straßenbaulast vom 12. Februar 1935, RGBl. 1935 I, S. 181. Zur Finanzierung der Übergangslösung wurde im Rechnungsjahr 1934 der Länderanteil an der Kfz-Steuer um ein Drittel gekürzt (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes).

[8] Detailliert dazu Christoph Großjohann, Wegebaulast und Verwaltung der Ortsdurchfahrten, in: Die Strasse 2 (1935), S. 410-413.

[9] Runderlaß Nr. 5/35 vom 21. Januar 1935, in: Die Strasse 2 (1935), Heft 3, S. 98; Runderlaß Nr. 82/35 vom 9. September 1935 (mit Zeichnungen) in: Die Strasse 2 (1935), Heft 20, S. 727.

[10] Runderlaß Nr. 98/35 vom 27. November 1935, in: Die Strasse 2 (1935), Heft 24, S. 888.

[11] Runderlaß Nr. 5/36 vom 8. Februar 1936, in: Die Strasse 3 (1936), Heft 5, S. 159.

 

 

© Reiner Ruppmann, Bad Homburg                                                                 Dezember 2012

Bericht

DIE GRUNDERNEUERTE A 5: AUF STAUFREIEN VERKEHRSFLUSS UND HOHE GESCHWINDIGKEIT GETRIMMT. 

Eine Autobahn verliert ihren vertrauten Charme

Die Grunderneuerung einer alten Autobahn ist eine radikale Sache. Die Fahrbahnen werden bis auf den gewachsenen Boden abgetragen, Brücken werden an- oder neu gebaut, Radien werden verändert, Fahrbahnen werden auf den geltenden Regelquerschnitt ausgelegt und ggf. völlig neu trassiert. Mit anderen Worten: Von den früheren Autobahnstrukturen bleibt in einem solchen Fall so gut wie nichts mehr übrig. Verkehrshistoriker und Autobahn-Enthusiasten haben es danach schwer, Überreste aus der Vergangenheit zu finden. Oftmals bleiben nicht einmal die Brückenbücher übrig, falls eine Brücke abgerissen und neu gebaut wurde. Nur alte Pläne und Fotos erinnern dann noch an den ursprünglichen Zustand.

Es ist ein großer Glücksfall, wenn das zuständige Straßenbauamt vor dem Totalumbau eine sorgfältige Bild-Dokumentation des Ausgangszustandes vornimmt, wie das hier geschehen ist. Das folgende Foto zeigt beispielhaft einen Streckenabschnitt bei Alsfeld in Fahrtrichtung Süd ohne Seitenstreifen. Auf er linken Trasse drückt sich die alte Betonfahrbahn von 1938 durch die in den 1960er Jahren aufgebrachte Bitumendecke hindurch.

Abb. 1: Zustand der alten Autobahn A 5 vor der Grunderneuerung (Foto: ASV Schotten)

Der letzte, rund 10 km lange Bauabschnitt der grunderneuerten Autobahn A 5 zwischen Gambacher Kreuz und Hattenbacher Dreieck wurde am 22. September 2009 mit einem kleinen Festakt an der Anschlussstelle Homberg (Ohm) offiziell dem Verkehr übergeben. Damit existiert in Hessen keine originäre Autobahnstrecke aus den 1930er Jahren mehr.

Abb. 2: Die Bauabschnitte für die Grunderneuerung der A 5 (Karte: HSVV)

Natürlich ließ es sich der hessische Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr, Dieter Posch, und der seit kurzem amtierende Präsident des hessischen Landeamtes für Straßen- und Verkehrswesen, Burkhard Vieth, nicht nehmen, bei diesem wichtigen Termin persönlich anwesend zu sein. Das BMVBS war durch den Parlamentarischen Staatssekretär Ulrich Kasparick vertreten. Die regionale und lokale Verwaltungsprominenz, die am Bau beteiligten Straßenbauer, die Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes und des zuständigen ASV Schotten sowie der Autobahnmeistereien füllten das neben dem Salzhaus errichtete Festzelt bis auf den letzten Platz.

  

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 3 + 4: Das Festzelt neben dem Salzhaus an der AS Homberg (Ohm) (Fotos: R. Ruppmann) 

 
Wie in solchen Fällen üblich, war in den Reden von „dauerhafter Sicherung der Mobilität“ und „Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen“, vom „volkswirtschaftlichen Wert leistungsfähiger Infrastrukturen“, von „kürzeren Transportzeiten, niedrigeren Transportkosten und besseren Marktchancen“, von „Verkehrssicherheit“ und nicht zuletzt vom „staufreien Hessen“ usw. zu hören. All das trifft sicherlich zu, denn dieser Autobahnabschnitt war in den letzten Jahren ein ausgesprochener Stau- und Unfallschwerpunkt gewesen, seit der DTV nach 1989 auf etwa 60.000 Fahrzeuge pro Tag angestiegen war (zum Vergleich: A 5, Strecke Friedberg – Nordwestkreuz Frankfurt rund 120.000, A 66 Frankfurt – Wiesbaden rund 160.000, Frankfurt Kreuz mehr als 310.000 Fahrzeuge/24 Stunden). Bis heute ist die alte HAFRABA-Strecke das Rückgrat des deutschen Autobahnverkehrs.

Nach den Ansprachen folgte das bekannte Ritual für die Verkehrsfreigabe der Strecke. Gemeinsam zerschnitten die Honorationen das über die noch nicht ganz fertiggestellte westliche Abfahrt der AS Homberg (Ohm) gespannte Band. Die Protagonisten waren sich dabei sicherlich nicht bewusst, dass das Vorbild für diese Zeremonie von der Einweihung der ersten Teilstrecke der RAB Frankfurt – Darmstadt am 19. Mai 1933 in Frankfurt stammt. Allerdings hatte damals ein schwerer PKW ein weißes Band mitgenommen, das von zwei Parteigenossen gehalten wurde.

Abb. 5: Gemeinsames Zerschneiden des Bandes (Foto: R. Ruppmann)



Doch die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse    hinterlässt trotz der zweifellos sehr großer Bemühungen um Ausgleichsflächen,   Regenrückhaltebecken, Aufforstungen, Straßenbegleitgrün u. ä. unübersehbare Spuren in der Landschaft. Die folgende Fotostrecke zeigt das Bild einer jetzt ‚aufgeräumten’ und übersichtlichen Autobahn, und dennoch mutet sie im Vergleich zu der alten Trasse technokratisch und ‚kalt’ an. Das gilt auch für die von gewachsenem Buschwerk und Wald gesäumten Passagen – ein Tribut an die heutigen Verkehrsbelange.

 Abb. 6: A 5 nach der AS Fernwald in Fahrtrichtung Kassel (Foto R. Ruppmann)



Damit man mich nicht falsch versteht: Hier soll nicht das hohe Lied des Autobahnbaus in den 1930er Jahren gesungen werden, der weder auf Umweltbelange Rücksicht genommen hat noch sich dem Landschaftsschutz verpflichtet sah. Autobahnstrecken wurden damals vielfach durch Wälder gelegt, weil Wald gegenüber Ackerboden als weniger wertvoll galt und der Baugrund oft ohne große Formalitäten in Anspruch genommen werden, da er häufig Ländern bzw. Kommunen gehörte.

Abb. 7: Drei Spuren zwischen Reiskirchner Dreieck und AS Homberg (Ohm) (Foto R. Rupppmann) 



Wegen der unmittelbaren Nähe der Richtungsfahrbahn nach Kassel zur Gemeinde Lumda musste an dieser Stelle eine Lärmschutzwand errichtet werden. Die Lage der alten Trassenführung wurde beim Umbau kaum verändert, doch vergrößerten die Planer ab dem Reiskirchner Dreieck die Halbmesser bei Kuppen und Wannen, so dass sich die Befahrbarkeit der Strecke erheblich verbesserte.

Abb. 8: Lärmschutzwand nach der Rastanlage Reinhardshain (Foto R. Ruppmann)



Das beim Aufbruch der Beton- und Asphaltfahrbahnen gewonnene Material wurde zerkleinert und als Trag- bzw. Frostschutzschicht unterhalb der neuen Beton- und Asphaltschichten eingebaut. Damit entfielen Kauf und Transport von Schottermaterial. Die Tragfähigkeit des Unterbaus wurde durch Beimischen von Kalk- und Zementbindemittel für die Dauerbelastung durch den LKW-Verkehr deutlich erhöht.

Abb. 9: Asphaltdecke vor der AS Homberg (Ohm) (Foto. R. Ruppmann)


AGAB-Freund Frank Buchhold, auf dessen Initiative hin wir uns zur Feier verabredet hatten und den ich bei dieser Gelegenheit persönlich kennen lernen konnte, war so freundlich, in seinem Bildarchiv über die A 5 nach einem Foto zu suchen, mit dem ich diesen kurzen Bericht zum Abschluss der Bauarbeiten schließen möchte. Es handelt sich um einen sehr markanten Baum, der sofort auffiel, wenn man in Fahrtrichtung Kassel die Kuppe nach der früheren AS Homberg (Ohm) passiert hatte. Der Baum, vermutlich eine Linde, stand als Solitär am östlichen Autobahnrand und markierte gewissermaßen den Übergang vom hügeligen Mittelhessen in das bergige Oberhessen. Dieses Wahrzeichen fiel bedauerlicherweise, wie viel Gewachsenes an der Strecke, der Grunderneuerung zum Opfer, da die Verbreiterung der A 5 überwiegend auf der Ostseite erfolgte.

Abb. 10: Markanter Baum an der A 5 bei Homberg (Ohm) – beim Umbau gefällt (Foto: Frank Buchhold)

 

Zeitgemäße Wahrzeichen nahe dieser Stelle sind heute vier große Windräder, die ihren hoch subventionierten Öko-Strom in das allgemeine Netz einspeisen. Sie könnten vermutlich das westlich der AS Homberg (Ohm) entstandene Gewerbe- und Industriegebiet mit Autohof, Fast-Food-Restaurant usw. probelmlos mit Strom  versorgen – sofern der Wind weht ...


 

 

Der Autor im Gespräch mit Frau Corinna Bück, Projektassistentin des ASV Schotten und Mitverfasserin der zur Einweihung erschienenen Broschüre „A 5 Hattebacher Dreieck – Gambacher Kreuz. Grundhafte Erneuerung, Anbau von Seitenstreifen sowie von Zusatzfahrstreifen in Steigungsstrecken“, Schotten III. Quartal 2009

(Foto: Frank Buchhold)


Bad Homburg, 12. Oktober 2009
Dr. Reiner Ruppmann

 


INFORMATIONEN ZUR AUTOBAHNBRÜCKE DER A 9 ÜBER DIE ELBE

Dipl.-Ing. Alexander Thewalt war so freundlich, zu einem besonderen Bauwerk an der Autobahn A 9, Fahrtrichtung Süd, Auskunft zu geben:

Turm an der Elbebrücke Vockerode bei Dessau

"Die Elbebrücke Vockerode ist als Hingucker für den Reisenden in der fllachen Landschaft nicht geeignet, die Alternative Hängebrücke wurde geprüft und auch aus Kostengründen verworfen. Die errichtete Balkenbrücke und die gekreuzte Elbe sollte durch den Turm aber erkennbar gemacht werden.

Auf der Nordseite der Elbbrücke sollte eine kleine Rastanlage entstehen, der Straßenbau hierfür war bis zum sechsstreifigen Ausbau noch vorhanden, die Befestigung aller Fahrflächen war mit Mansfelder Kupferschlackenstein ausgeführt (liegt teilweise noch). Die Krönung der Rastanlage (und der Brücke in der flachen Landschaft) sollte dieser Turm als Aussichtsturm sein.
Kriegsbedingt wurde er jedoch nicht fertiggestellt, das heute sichtbare Dach ist nachträglich aufgesetzt. Im Inneren führt eine umlaufende Treppe nach oben, der für einen Aufzug (oder zwei?) vorgesehene Schacht ist deutlich erkennbar.

Nicht nur das Dach wurde nicht gebaut, auch die Fassade des Turms wurde nicht fertiggestellt. In den Fugen des Turms stecken noch hunderte kleine Marmorstückchen als Abstandhalter zwischen den großen Granitsteinen (Meißner Granit). Und der größte Stein auf der Nordseite (sichtbar für den Reisenden Richtung Leipzig) verbirgt die Kubatur eines Adlers, der erst vor Ort herausgearbeitet werden sollte. Der Denkmalschutz bezieht sich auf die marmornen Abstandhalter.

Zur Brücke:

Die Widerlager der Richtungsfahrbahn Leipzig sind beim Ausbau nur leicht verändert erhalten geblieben, von den Pfeilern wird nur die alte Gründung noch genutzt. Von den Tunneln in den Widerlagern gehen heute mit Türen verschlossene Treppen auf die Auflagerbänke, diese Treppen führten früher unverschlossen auf den Gehweg in der Mitte der alten Brücke (ein Gehweg wie heute noch bei der Theodor-Heuss-Brücke bei Mannheim). Die Richtung Ost erweiterten Widerlager wurden mit Granitsteinen der alten Pfeiler verblendet, alle neu errichteten Pfeiler wurden mit neuem Granit aus Norwegen verblendet."

Alexander Thewalt
 


 

 

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